Bericht zur Teilnahme am European Deaf Youth Forum in Kopenhagen von 26. bis 29. August 2004.
Im Jahr der Neugründung der DGJ werden zwei Personen, Micky Meincke (DGJ-Beisitzer) und Christoph Müllensiefen, als Delegierten von der deutschen Gehörlosenjugend nach Kopenhagen entsandt. An diesem dreitätigen Forum haben 16 europäischen gehörlosen Jugendorganisationen teilgenommen, davon 12 EU-Mitglieder. Das Hauptprogramm fand am Freitag und Samstag mit Vorträgen unterschiedlicher Themen, Workshops und sogar Mitgliederversammlung der EUDY statt.
Nach dem Ankunft in Kopenhagen am Donnerstag abends, war wie schon geplant niemand am Flughafen, um uns zu abholen. Dank der heutigen technischen Möglichkeit wurden wir per Handy informiert, dass wir das Taxi auf Kosten des dänischen Gehörlosenjugendverbands zur Jugendherberge nehmen sollen. Lustig war es, dass der Taxifahrer nicht wusste, wo die Jugendherberge liegt – nämlich nicht weit vom Flughafen! Als wir dort angekommen sind, war auch kein Teilnehmer zum sehen – jedoch eine neue SMS, die uns aufforderte, nochmals mit dem Taxi zur Stadtmitte zu nehmen. Wir haben uns gefragt, ob der dänische Jugendverband im Lotto gewonnen hat. Nach dem Ankunft in der Stadtmitte wurden wir vom Organisator und Beisitzer der EUDY Thomas Philip (DK) abgeholt und zur Kneipe geführt. Dort waren schon etwa 20 Personen aus unterschiedlichen europäischen Ländern da. Multilinguale (!) Begrüßungen werden ausgetauscht, jedoch ist auch nichteuropäische Sprache dabei. So ging es los, Diskussionen, Meinungsaustauschen, Witzesaustausch etc. im europäischen Format – auch an den beiden nachfolgenden Abenden. Der letzte Abend ist insbesondere zu erwähnen – da ging eine Party hoch, organisiert von der lokalen Kopenhagener Jugendorganisation – Absalon Deaf Youth Club. Dort sind viele europäischen und dänischen Gesichtern erschienen.
Nun folgt der Bericht zu dem offiziellen Programm:
Nach der offiziellen Vorstellungen am Donnerstag Abend, folgt die ausführliche Vorstellung des dänischen gehörlosen Jugendverbands DDU – Danske Doves Ungdomsforbund – über den Verbandsarbeit und dieses Forum selbst. Kurzer Kommentar von uns: erfahrener Jugendverband mit ehrgeizigen Mitarbeitern.
Das Thema des Hauptvortrages am Freitag Vormittag im Kopenhagener Gehörlosenzentrum – Tegnsprogshuset – ein stolzer dänischer Begriff, da es wörtlich übersetzt „Zeichensprachhaus“ lautet „Standards of existential ethics“ – Alex Hansen erläutert die Philosophie des dänischen Schriftstellers Søren Aabye Kierkeyaard (1813-1855) und vergleicht die Situation mit heute. In der Fakt gibt es drei Stufen der Moraleinstellungen: 1) The Aesthetic Stage 2) The ethical Stage 3) The Religions Stage. Derjenige, der die höchste Stufe hat, ist am besten geeignet zur Übernahme einer verantwortungsvollen ehrenamtlichen Aufgabe. So kann die Vereinsarbeit bestehen bleiben – die Betrachtung der moralischen Einstellungen der Leute ist in der Vereinswelt unentbehrlich. Credo: In der ehrenamtlichen Welt sollen wir nach dieser Philosophie folgen, damit die Vereinsarbeit nicht wegen der einzelnen Personen zusammenbricht.
Am Nachmittag folgt einen – wirklich radikalen – Vortrag von einem in Norwegen lebenden US-Amerikaner Joe Murray (World Federation of the Deaf) mit dem Thema „Deafness and Genetics“. Er meint, dass das Gentechnik in der Zukunft so weit fortgeschritten sein wird, dass die Gehörlosigkeit eliminiert werden kann – und somit bringt er die alte Diskussion, die vor einiger Zeit durch CI-Diskussion schon ausgelöst hat, wieder an die Licht. Seine Philosophie ist, dass wir dagegen wehren sollen und zwar mit den radikalen Mitteln, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erwecken. Die aufsehenerregenden Aktionen im Sinne der Grünen in der Gründungszeit, Greenpeacers oder Tierschützer waren seine Leitgedanken.
Nach der Kaffeepause (nach den beiden interessanten, allgemeineren Vorträgen) konzentrieren wir nun auf die europäische gehörlose Jugendarbeit – mit dem Thema „Introducition of the European Youth Programme and presentation of project ideas and recent projects“. Das Thema verrät schon ziemlich viel. Thomas Philip erläutert verschiedene Möglichkeiten der Jugendarbeit in Europa – und auch wie die Projekte mit dem europäischen Mitteln finanziert werden können. Dabei zeigt er einige Beispiele und Ideen, wie aktuelle Projekte, oder wie man beantragen kann, etc. So haben die Teilnehmer den Einblick in zahlreichen Möglichkeiten auf der EU-Ebene. Dieser Vortrag wird am nächsten Tag (siehe unten) fortgesetzt.
Danach erfahren die Delegierten über den Inhalt und die Aktivitäten der Erwachsenenorganisation EUD – European Union of Deaf durch Knud Sondergaard, damit wir den Einblick in ihre Organisation mit ihrer Struktur und ihrer Zusammenarbeit mit EUDY bekommen können.
Es folgt noch ein weiterer Programmpunkt vor dem Abendessen, nämlich der Besuch beim dänischen Gehörlosenbund, der in einem anderen Gebäude in Kopenhagen unterbracht ist. Alle sind beeindruckt durch die starke Vertretung der gehörlosen Dänen. Wir haben einen Rundgang durch viele Räume gemacht – Presseabteilung da, Öffentlichkeitsarbeit hier, Rechtsberatung drüben, Konferenzraum rechts etc… – und natürlich ist ein Raum für den Dänischen Gehörlosenjugendverband (DDU) reserviert, wo ein Hauptamtlicher angestellt ist.
Nach einem sehr guten Abendessen im Selbstbedienungsrestaurant und nach dem weiteren Barabend wird das Forum am nächsten Morgen fortgesetzt – mit dem Thema „The European Union and the Deaf Youth“. Thomas Philip erläutert ausführlich wie man einen europäischen Projekt durchführen kann. Er hat ein spezielles Seminar in Budapest besucht – und ist dadurch um eine Erfahrung reicher geworden. Es ist unglaublich wichtig, dass die Gehörlosen auch an europäischen Ideen beteiligt sein sollen. Durch seine Inspiration fallen Micky sofort Ideen ein – er möchtet zunächst ein Praktikum in Schweden absolvieren. Danach möchtet er einen europäischen Camp nach dem Vorbild des deutschen Jugendcamp bzw. amerikanischen YLC durchführen (Einen europäischen „Freizeitcamp“ gibt es schon seit längerem her).
Kurz vor dem Mittagsessen erfolgt eine Präsentation „Deafism“. Nach Christoph’s Meinung ist die Philosophie des Schweden (Patrik Nordell) nicht aussagekräftig – der Titel ist nur eine Abwandlung vom in US-amerikanischen verbreiteten Schlagwort „Audism“.
Nach dem Mittagsessen beginnt das Ernst; nämlich die Vollversammlung der EUDY. Nur die Vertreter aus 12 EU-Mitglieder sind hier stimmberechtigt – die anderen dürfen nur zuschauen – Norweger, Isländer, Serben und Schweizer.
Zunächst werden die Satzungsänderungen durchgeführt. Auch wenn es mehr als 15 Änderungen vorliegen geht es ziemlich schnell – dank der guten Vorbereitung (die Unterlagen werden schon VOR der Versammlung geschickt).
Es wird über die aktuelle Situation berichtet – jeder Vertreter soll von der nationalen Jugendarbeit zeigen – Erfolge, Neuigkeiten – aber auch Probleme.
Es wird auch auf der europäischen Ebene diskutiert – und zwar, wie EUDY bisher geleistet hat, wie die zukünftige Gestaltung aussieht. Es wird auch entschieden, dass der nächste europäische „Freizeit“-Camp in Irland stattfindet – nach einer tollen Präsentation des irländischen Jugendverbands (der Konkurrent war nicht anwesende Ungarn). Anschließend findet die Wahl des Vorstands der EUDY mit diesem folgenden Ergebnis statt:
- President: Thomas Philip (Denmark)
- Secretary: Claire Dowdican (United Kingdom)
- Member: Carolina l. Medina Alonso (Spain)
- Member: Seán Herlihy (Ireland)
Anmerkung: In der Satzung ist vorgeschrieben, dass jährlich EIN TEIL des Vorstands gewählt wird.
Alle hoffen nun, dass die Jugendarbeit in Zukunft erfolgreich verlaufen werden……
Im Anschluss der Versammlung erfolgt kleines Abendessen. Vor der Party am Abend haben Micky und ich ein bisschen freie Zeit – so schlendern wir durch die Stadt Kopenhagen; eine schöne interessante Stadt. Wir haben viel über dieses Forum nachgedacht.
Die Party ist wirklich dänisch-europäisch ausgerichtet (siehe oben). Zwei Drittel der Anwesenden sind Dänen – und der andere Drittel sind Europäer! Es gibt zum Beispiel Haifischessen mit dem speziellen Schnaps danach (isländischer Brauch?), woow!
Am Sonntag bleibt nicht viel Zeit übrig, von den anderen zu verabschieden, nochmals in Kopenhagen ein bisschen gucken. Danach geht es ab nach München.