Das Kindercamp für Gehörlose fand vom 09.08. bis 18.08.2005 im Schullandheim Hubertushaus in Steibis/ Allgäu statt. Das Hubertushaus liegt auf ca. 1320 m Höhe, unterhalb des Häderichs, umrandet von Wald, Wiesen und einem kleinen Moorsee. Das Camp stand unter dem Motto: „Sprache, Kultur, Natur, Spiele und Spaß“.
Es nahmen 20 gehörlose bzw. schwerhörige Kinder im Alter von 10 bis 14 Jahren, jeweils 10 Mädchen und 10 Jungen aus fünf verschiedenen Bundesländern, an dieser Aktion teil. Die meisten Kinder kamen aus Bayern, ein paar aus Baden Württemberg und Niedersachsen sowie einige aus Hessen und Sachsen-Anhalt.
Die Leiterin des Kindercamps war Doris Goldschmidt. Fünf gehörlose Betreuer/innen und ein Koordinator unterstützten sie dabei kräftig. Die Kinder, die fast ausschließlich hörende Eltern und damit kaum Kontakt zu gehörlosen Erwachsenen haben, hatten durch das gehörlose Betreuerteam mit Gebärdensprachkompetenz die Möglichkeit, die Welt der Gehörlosen mit ihrer Kultur kennen zu lernen und sich mit den gehörlosen Erwachsenen zu identifizieren.
Nach der Ankunft in Steibis wurden für die Kinder die Zimmer verlost (Mädchen und Jungen getrennt). Danach lernten sich die Kinder durch das Kennenlernspiel näher kennen.
Tags darauf wurden die Kinder per Los in vier Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe wurde jeweils von einem Betreuer/ einer Betreuerin betreut. Dem Betreuerteam oblag die Aufgabe, die Gruppe zu unterstützen und zu animieren, eine Führung aufzubauen, Schwächeren aufzufangen und auch anzuspornen. Zudem müssen sie Regeln aufstellen und erläutern.
Im Laufe der Woche gab es jeden Tag verschiedene Tagesangebote, passend zu den Wetterverhältnissen. Unsere Schwerpunkte und Ziele richten sich nach den Bedürfnissen der Kinder: Erziehung, Disziplin, Sprachförderung, Wissensförderung, Logik, Teamwork, Teamgeist, selbständiges Durchführen eigener Gruppe, intensives Eintauchen in die Natur-und Pfadfinderwelt, weitestgehender Verzicht auf die „Elektrowelt“ wie z.B. PC, Fernseher, Gameboy und Handys, intensive Förderung der
Inspiration, Bewegungsförderung und Respekt. Aber auch aktuelle Differenzen bzw. Problembereiche der einzelnen Kinder wie z.B. Bewegungsarmut, Gewaltbereitschaft oder Respektlosigkeit mußten durch Gespräche, ein passendes Spiel oder aber auch durch konsequente Erziehungsmaßnahmen aufgefangen und intensiv behandelt bzw. verbessert werden. Heuer haben wir feststellen müssen, dass die Kinder weitestgehend intelligent und sehr wissensdurstig waren, daher haben wir vermehrt
Bildungsmöglichkeiten angeboten um die Wissenserweiterung, Betonungsfähigkeit und nicht zuletzt auch das Selbstbewusstsein zu fördern.
Das gesamte Betreuerteam hat während der ganzen Zeit viele verschiedene Schwerpunkte angeboten: Kennenlernspiele, Bildungsangebote wie z.B. Vortrag über die Natur, Pfadfinderspiele, Geschichten über die taubblinde Helen Keller. Außerdem stand die Mitwirkung bei Spielen, in denen die Wissens-und Auffassungsgaben gefordert werden, besonders im Mittelpunkt: Wanderungen, Schwimmen in der Aquaria, Schnitzeljagd in der Natur, Wissenskiste, diverse spannende bzw. einfühlsame oder informative Gute-Nacht-Geschichten und viele verschiedene In- und Outdoor-Spiele, zuletzt auch Punktespiele. Jede Gruppe hatte die Möglichkeit, mit ihrer Fähigkeit und ihrem Wissen Punkte zu sammeln.
Alle Gruppen hatten jeden Abend die Möglichkeit die Ergebnisse der Punktespiele zu erfahren, Meinungen auszutauschen, Vorschläge zu unterbreiten, aber auch Kritik auszuüben. Diese so genannte SMILE-Runde wurde von allen Betreuer/innen abwechselnd durchgeführt.
Kurz vor dem Zubettgehen „sahen“ alle Kinder eine Gute-Nacht-Geschichte, in der es um Abenteuer-, Erfahrungs-, Erlebnisberichte zu bestimmten Themen ging. Heuer hatten alle Betreuer/innen die Möglichkeit, über eigene Erfahrungen oder die Erfahrungen anderer anhand von Büchern oder Bildern durch Beamer, Fotos usw. zu berichten oder erzählen. Zum Schluss konnten die Kinder zu diesem Thema Fragen stellen. Dabei wurden sehr interessante Themen angeboten wie z.B. Schüleraustausch in Kanada und Lebenserfahrung des taubblinden Kindes Helen Keller und die Lormsprache (Kommunikation bei Taubblinden).
Mit einer Preisverleihung und einer anschließenden Feier rundeten wir den letzten Abend im Camp aus.
Ein wichtiger Punkt ist, dass das Kindercamp während den Schulferien stattfindet. Damit wird auf der eine Seite den Eltern ein Teil der Belastung abgenommen (lange Schulferien und wenig Urlaubstage) und auf der anderen Seite das Kind vor bestimmten, allgemein bekannten Problemen bewahrt: Untätigkeit, Bewegungsarmut, Stubenhockerei vor dem PC bzw. TV, Vernachlässigung des Informationsrückstands, Sprachbarrieren zwischen Gehörlosen und Hörenden und somit auch mehr Aggressionen und Einsamkeit. Jeder konnte während des Kindercamps neue soziale Kontakte knüpfen und vor allem sein Wissen erweitern, Erfahrung, Erlebnisse und Freude mit nach Hause nehmen. Die Kinder konnten durch die Teamarbeit viele Erfahrungen sammeln und hatten die Möglichkeit, sich mit anderen Kindern aus verschiedenen Gehörlosenschulen auszutauschen und durch die gehörlosen BetreuerInnen in die Gehörlosenkultur eintauchen und sich mit ihnen identifizieren.
Wir, das Kindercamp-Team, möchten der Deutschen Gehörlosen Jugend e.V. und der Initiative Gehörlosenjugend ganz herzlich für Ihre Unterstützung des Kindercamps danken. Finanzielle Unterstützer sind Aktion Mensch, Bayerischer Jugendring, Bezirksjugendring und Kreisjugendring München. Auch ihnen gilt unser besonderer Dank.
KC-Leiterin Doris Goldschmidt und KC-Korrespondentin Nadine Höchtl